Montag, 8. Januar 2018

Spielzeug...




... und Geschichten davon möchte Astrid Ka diesen Monat sammeln.
Nun, ich erzähle gern!

I

In meiner frühen Kinderzeit hatte ich allerhand Plüschtiere.
Ein Schaf hatte meine Mutter selbst genäht aus einem alten, abgetragenen Schaffell-Mantel. Ich stand im Bettchen und schaute zu, das weisz ich noch.
Einige andre waren alt und noch aus Mutters Kinderzeit, wie diese Katze, die ich immer noch habe... und ein paar kamen "vom Westen" zu Weihnachten im Paket.
In der DDR gab es Anfang der Sechziger nicht soviel Spielzeug zu kaufen.
Auch unsre Oma nähte einige selbst, ein Schweinchen aus solcher rosagfarbener Oma-Unterwäsche... oder einen Elefanten aus altem Anzugstoff. Darin war eine Fussbank eingenäht und er hatte eine wunderschön bestickte Decke.
Man konnte auf ihm reiten. Fein!

Leider haben die Jungens (mein Bruder und seine Spielgefährten) ihn später so heftig benutzt, dass der Stoff zerriss, das Sägemehl herauskam und der Kopf 
nicht wieder anzunähen ging.
Ansonsten wurde ja alles repariert damals und Teddyaugen durch Knöpfe ersetzt.

Ich habe diese Tiere geliebt und alle hatten Namen.
Sie sassen auf der Wandseite auf meinem Gitterbett.
Einmal - ich war kaum 2 Jahre alt (und doch weiss ich es bis hreute) - war ich beim Arzt gewesen und bekam eine Salbe aufgetragen.
Dann sollte ich Mittagsschlaf halten, aber ich hatte kreine Lust.
Ich richtete mich in meinem Bettchen auf und griff nach der Penaten-Creme-Dose, die auf der Kommode stand (auch "vom Westen" geschickt)
Ich spielte dann Doktor und verarztete meine Tire: schmierte ihnen den Rücken dick mit Penatencreme ein... - Mutter hat dann ewig mit Benzin daran herumgescheuert...


II

Puppen gab es auch, aus Zelluloid mit aufgemalten Haaren, doch ich mochte sie nicht allzu sehr. Sie grinsten so komisch und glotzten mich mit starren Augen an,
 das mögen Autisten nun mal nicht.
Allerdings hab ich mir immer eine mit Echthaar gewünscht.
Später bekam ich sie auch, eine "Schildkröt"-Puppe aus dem Westen, aber sie war so hässlich, ich habe sie gehasst. Sie trug ein Schild mit ihrem Namen "Schlummerle" (weil sie Schlafaugen hatte), aber das war für mich ein grässliches Wort.
Gibt so Wort-Aversionen, die sich durchs ganze Leben ziehn...

Später, als ich zur Schule kam, wurden mir meine Zöpfe abgeschnitten und ich bekam
 zu meiner Verzweiflung einen ähnlichen "Pottschnitt" wie diese Puppe.


III

Mein Lieblingsspielzeug war ein Kaufmanns-Laden mit kleinen Schachteln, 
Gemüsekisten, einer Kasse und Spielgeld.
Allerdings fand sich selten jemand, der einkaufen kam und mit mir spielte.
So nutzte ich ihn fast immer nur allein.

IV

Mit Gesellschaftsspielen ging es ähnlich, bei uns zuhause wurde so etwas nicht gemacht. Reine Zeitverschschwendung, befand meine Mutter 
und Vater war sowieso fast nie zuhaus.
Nur bei den Grosseltern wurden Brettspiele gemacht und mein Opa 
brachte mir etwas Schach bei. 
Da ging ich noch nicht einmal zur Schule.
Leider habe ich es später total wieder vergessen.

V

Überhaupt gab es bei den Grosseltern das allerschönste Spielzeug: 
drei uralte Anker-Steinbaukästen und eine Puppenküche, 
da lief sogar der Wasserhahn!
Aussen an der Wand waren zwei Zinkbehälter für Wasser und Abwasser daran.
Was habe ich diese Küche geliebt und die kleine Matrosenpuppe mit dem -zigmal zusammengeklebtem Porzellankopf.

VI

Ein Puppenhaus war mein sehnlichster Wunsch und es fand sich auch 
eine Familie, die eines abzugeben hatte.
Ich weiss noch, wie wir mit einem kleinen Handwagen durch die Stadt
 fuhren und es holten.
 Zu Weihnachten bekam ich es dann, frisch renoviert. Da war ich Fünf.

Leider wurden solche Spielsachen die meiste Zeit des Jahres auf dem Dachboden verwahrt, meine Freude daran währte also nicht lange. Nur zu Weihnachten wurde es herunter geholt (und Mutter fand 1000 Ausflüchte, wenn ich darum bettelte) und schon bald nach der Weihnachtszeit verschwand es dort wieder.
Ich weiss nicht, welcher pädagogische Ansatz dahintersteckte, vermutlich sollten Kinder mehr an der frischen Luft spielen, es sollte Ordnung herrschen oder die Sachen nicht so schnell abgenutzt werden... was auch immer das war!

Jedenfalls kam bald mein Bruder zur Welt 
und er bekam dann ja sowieso immer seinen Willen.
Also wurde auch mein Puppenhaus dicht an sein Bettchen gerückt und ich sehe ihn bis heute, an den Gitterstäben hochgezogen stehen, ein Möbelstück nach dem anderen grabschend und mit einem "Peng" auf den Boden werfend.
Mein Puppenhaus hatte sich damit also erledigt 
und meine Liebe zu Kleinkindern hatte sich deutlich abgekühlt!


VII

Aber natürlich konnte ich mich auch anderweitig beschäftigen, 
Langeweile habe ich nie im Leben gekannt.
Seit ich eine Schere halten konnte, machte ich davon regen Gebrauch.
Besonders auf Mutters Modehefte (Sibylle) hatte ich es abgesehn.
Ich schnitt die Konturen der "Mamis" sauber aus und legte sie alle auf den Boden. Schob sie herum und arrangierte Bilder damit (da war ich noch ziemlich klein, wenn ich noch "Mamis" dazu sagte). - Der Vorläufer meiner heutigen Collagen? ;-)

VIII

Überhaupt war ich Meisterin der Stillbeschäftigung: man brauchte mir nur Papier, Schere, Farben, Stempel oder Bögen mit Anziehpuppen zu geben, 
dann war stundenlang Ruhe.

IX

Oma beschäftigte sich ziemlich viel mit mir und mit ihr ging ich auch in den Wald, Moos sammeln und auf einem Teller ein "Moosgärtchen" anlegen. Das stand dann wochenlang auf der Fensterbank und wurde gegossen. So bleib es frisch und es wurde mit kleinen Zinn-Tieren bestückt, welche die Grosseltern auch noch von früher her hatten.
Auch einen Kasten wundervolle Glasperlen hatten sie, 
so schöne gab es in der DDR niemals.

Wenn meine Grosseltern beide in der Werkstatt arbeiteten, hatte ich dort meine eigene kleineWerkbank, bekam meine Perlen, ein paar Zangen und ein Stück Draht... so haben wir viele schöne stille Tage verbracht und die kurze Zeit, die ich ganz und gar bei meinen Grosseltern leben durfte, ist mir noch heute meine allerschönste Kindheitserinnerung.
Es gab Regeln, aber keine Gewalt, kein Geschrei und Geschimpfe... und trotzdem sie beide dort täglich ihre Arbeit hatten, blieb noch Zeit für Spiele,
 Spaziergänge und zum Vorlesen.
Der Tag war einfach gut strukturiert und das war mir für später ein grosses und hilfreiches Vorbild. (In unstrukturierten Zeiten bzw. wenn mir ständig von aussen meine eigene Zeitstruktur zerstört wird, fühle ich mich ungeheuer gestresst und permanent überfordert, leider lässt sich das immer schwerer gut einrichten gerade - )

X

Bilderbücher gehörten natürlich immer dazu und später welche zum Lesen.

XI

Als ich grösser wurde und andre Mädchen aus dem Westen Barbie-Puppen bekamen 
(ein DDR-Pendant in den Siebzigern hiess Modepuppe),
 war mein Lieblinggspielzeug ein Stabilbaukasten.

Später kam ein Optikbaukasten hinzu.
Mikroskope und Fernrohre meines Vaters waren sowieso meine heimliche Liebe, aber sie 
durften nicht selbstständig von mir genommen werden... Also baute ich Eigene.

XII

Es gab in der DDR weit weniger Spielzeug als im Westen und als heute... aber als Mangel sehe ich das nicht unbedingt: wir hatten Phantasie und es wurde viel selbst gemacht. Das war nachhaltig und wenn man weniger hat, schätzt man die Dinge dafür umso mehr.
Wenn ich sehe, wie zugemüllt heute Kinderzimmer aussehen - - -

XIII

Zugemüllt: nein, das durfte bei uns nicht sein!
Regelmässig sortierte meine Mutter unsere Spielzeuge und Bücher aus, 
um noch gute Sachen einem Kindertgarten zu spenden.
Das war nicht immer in unseren Sinn und meist tat sie es auch,
 während wir in der Schule waren.
Kaputte - aber geliebte - Dinge wanderten dann schon mal in die Mülltonne.

So erging es auch eines Tages unseren Fridolin.
Das war eine kleine Weichplaste-Puppe mit aufgemalten Haaren, Schuhen und Kniestrümpfen, die wir mal geerbt hatten von grösseren Kindern. Ein ziemlich wertloses Ding, wie Mutter fand: gingen doch nicht einmal die Beine zu bewegen und ein Fuss war auch schon immer kaputt gewesen.
Also eines Tages war Fridolin nicht mehr da.

Ein paar Tage später, auf dem Schulweg, sehen wir einen Müllwagen stehn.
"Gugge mal, der sieht aus wie Fridolin!", ruft Brüderchen aufgeregt.
Und tatsächlich: unter dem Verdeck der Kühlerhaube klemmt eine Puppe. Wir also geschaut: kein Müllmann in der Nähe und dann bin ich da rauf und die Puppe geholt.
 Tatsächlich, das war er, mir seinen weissen selbstgestickten Sachen 
und dem kaputten Fuss.
Rein in die Schultasche und von Lehrer nicht erwischen lassen - 
Spielzeug war in der Schule tabu!
Aber was dann?
Nach Hause getraut hätten wir uns niemals mit ihm, den Krach mussten wir nicht haben! 
Gab oft genug welchen, der sich nicht verhindern liess...

Also nach den Schule fix einen Umweg zur Oma gemacht und Fridolin bekam ein Bett 
in ihrem Kleiderschrank. - Das war jetzt unser Geheimnis!
Jedes Mal, wenn wir Oma besuchten, gingen wir auch zu Fridolin.
Lange Zeit.
Dann gab es einen der seltenen Familienurlaube 
und die Grosseltern gossen derweil unsere Blumen.
Allein gehen konnte Oma da schon lange nicht mehr, sie war inzwischen fast völlig blind.
Aber immer hat sie sich noch beschäftigt in vertrauter Umgebung 
oder draussen mit Opas Begleitung.

Er hatte ihr eine Schreibtafel gemacht: ein flaches Metalltablett mit einer verstellbaren Schiene. Da hinein konnte sie Papier legen und schreiben und sie hat noch fleissig Briefe geschrieben und Gescchichten für uns.
So schrieb sie denn Fridolins fiktive Geschichte auf: erst von den anderen Kindern, dann wie er zu uns kam und sein Abenteuer auf dem Müllwagen.
Diese Geschichte schickte sie uns ins Ferienquartier 
und sie setzte Fridolin dann wieder in unser Zimmer.
Vater las die Geschichte vor und als wir heimkamen, war Fridolin wieder da. 
Ganz ohne Krach und Geschimpfe.
Oma hat sowas öfter gut hingekriegt und entschärft - 

XIV

Auch wenn das jetzt nicht unbedingt zum Spielzeug gehört: diese alte Schreibtafel habe ich noch 
und auch Omas Geschichten, gesammelt in einer Mappe , die sie mit Kleisterpapier 
beklebt hat.Die Fotos davon wollte ich schon lange einmal zeigen...
und jetzt passen sie ganz gut hier rein, finde ich. 




Aus Gründen der besseren Übersetzbarkeit mit google-Translator diesmal auf "sz"-Schreibweise verzichtet.
 Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass auch meine fremdsprachigen Leser versuchen, solche langen Texte zu lesen -

5 Kommentare:

  1. Da hast du ja prompt und lange und sehr persönlich geschrieben. Toll! Und danke dafür! Großeltern sind (fast) immer ein geschenk des Himmels ( der Kontrast zu deiner Ursprungsfamilie ist aber auch zu groß ).
    Ich kann mich erinnern, dass es nach dem Krieg auch noch teilweise üblich war, dass bestimmtes Spielzeug nur im Winter hervorgeholt wurde ( Eisenbahn und so ). Vielleicht war das noch so eine Nazi -Erziehungsvorgabe aus "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" ( furchtbares Machwerk!).
    Übrigens habe ich auch schon früh Collagen gemacht, mit Mehlpampe als Klebstoff, denn der war selten ( und Pattex nur in Vaters Werkstatt und eigentlich untersagt ). Da haben wir so einiges gemeinsam.
    LG
    Astrid

    AntwortenLöschen
  2. Was für herrlich zu lesende Erinnerungen, ein paar kleine Gemeinsamkeiten erkenne ich, aber als Westkind und Einzelkind hatte ich in Wien 1963 in der besseren Zeit geboren, eine Menge Spielzeug schon und sogar viele Barbies, ( von meinen älteren Cousinen geerbt- Luxus pus, was?) Trotzdem hab ich mich am liebsten selbst und ohne all den Plunder beschäftigt und wenn ich RICHTIG gespielt habe waren Kissen meine Babies und nicht meine Puppen. Und in den Ferien am Land war's überhaupt immer am Schönsten!
    So schön dass Du die Erinnerungen und die geniale Schreibtafel Deiner Oma auch noch hast! Und eine Gemeinsamkeit fällt mir auch auf.. ich hab so gern Sachen aus Werbekatalogen ausgeschnitten. Mit 3 oder 4 Jahren hab ich einmal Schuhe ausgeschnitten und war dann extrem enttäuscht weil ich sie nicht tragen konnte.
    Meine Mama hat mir auch oft Papierpuppenbögen gekauft, meine Güte das hab ich gern gemacht!
    Und die Gemeinheit von den Weihnachtsgeschenken, die nach den Feiertagen auf den Dachboden wandern kenn ich von meiner Stiefmutter, die in den 50ern in Oberfranken aufgewachsen ist ... das ist ja richtig ein Verstoß gegen die Menschenrechte gewesen damals! Menno ich bin froh eine Spätgeborene zu sein...ehrlich!
    Liebe Grüße und vielen lieben Dank für Deine wundervollen Erinnerungen!
    Liebe Grüße
    Susi

    AntwortenLöschen
  3. Deine Geschichte ist einerseits so traurig und doch auch so schön. Sie hat Dich zu dem gemacht, was Du bist. Und ohne Deine Großeltern wäre es sicherlich alles ganz anders gekommen. Eine wundervolle Hommage an Deine Großeltern :-)
    Liebe Grüße von Silke, die Dir wieder mehr Zeit für ein geregelteres Leben wünscht

    AntwortenLöschen
  4. da krieg ich nen Kloß im Hals beim Lesen. Wie liebevoll Deine Großeltern waren. Und Du hast die Schreibtafel noch. Ja ich lese Deine Erinnerungen auch wie ein Hommage an sie. Hoffentlich entspannt und strukturiert sich das Lben bald wieder mehr für Dich. Danke für diese Erinnerungen. Sie lesen sich kostbar. Liebe Grüße, Eva

    AntwortenLöschen
  5. wie liebevoll deine Großeltern waren
    kaum zu verstehen dass deine Mutter (oder Vater??)davon nichts abbekommen haben
    schön dass du die Schreibtafel aufbewahrt hast
    ja..
    es war früher so dass größere Spielsachen nach Weihnachten wieder weggeräumt wurden
    ich denke das war auch wegen dem Platz
    denn meist wurden die Sachen ja in der "guten Stube" aufgebaut die sonst nicht geheizt und benutzt wurde
    trotzdem schöne Erinnerungen
    liebe Grüße
    Rosi

    AntwortenLöschen

Ich freue mich sehr über Dein Interesse und Deinen Kommentar.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass der von dir geschriebene Kommentar und die personenbezogenen Daten, die damit verbunden sind (z.B. Username, E-Mailadresse, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.